Reflexion und Prospektion – ästhetischer Überschuss als epistemische Unbändigkeit
Vortrag am 15.07.2021, Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik, im Panel Jenseitsverlust und Ichgewinnung – Zur Erschaffung von Kunst und Subjekt durch Reflexion und Prospektion des zentralperspektivischen Blicks
Mit dem Aufkommen der ‚Zentralperspektive‘ im 15. Jahrhundert – in der Kunstgeschichte herrscht eine gewisse Uneinigkeit darüber, ob diese tatsächlich eine Erfindung der ‚italienischen Renaissance', namentlich des Florentiner Architekten Filippo Brunelleschi oder bereits seit der ‚Antike‘ bekannt, aber (bewusst) nicht angewendet worden ist – erfährt das christliche Sakralbild einen paradigmatischen Wandel.
Im Gegensatz zum zuvor oft flächigen, fragmentarisch-unzusammenhängenden Bildraum der traditionellen ‚Goldgrund-Malerei‘ steht in dem ‚zentralperspektivisch‘ konstruierte Raum jedes Bilddetail in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang, unabhängig von der inhaltlichen Wichtigkeit. Alles ist denselben perspektivischen Gesetzen unterworfen und erscheint als gleichwertig. Als Sakralbild repräsentiert diese Raumeinheit die gottgegebene Einheit der Welt. Die Illusion eines realen Raumes wird bekanntermaßen durch die auf einen Fluchtpunkt zustrebenden Konstruktionslinien, den Orthogonalen, erzeugt, ist also nach messbaren Kriterien geometrisch konstruiert und geordnet.
Indem, wie sich Giorgio Vasari ausdrückt, „auf einer begrenzten Fläche der Raum sich zu öffnen und in die Tiefe zu weiten scheint“(1), erscheint das Bild des dargestellten Raums dort so wirklichkeitsnah – damit gemeint ist eine mimetische Wirklichkeitsnähe, die eine der Hauptbewertungskriterien Vasaris darstellt – wie die räumlich tiefe Fortsetzung des Kircheninneren, wo doch tatsächlich nur Wand ist. Der Bildrand wird zur Nahtstelle zwischen räumlicher und bildlicher Wirklichkeit. So ist das Bild nicht mehr in sich geschlossen, sondern zu einem überall anschlussfähigen Teil seines Umgebungsraums geworden – und zwar als ein Bild, das die Illusion hervorrufen will, gar keines zu sein, sondern Raum. Denn die architektonischen Linien seiner Konstruktion lassen sich über die Bildgrenze hinaus weiterführen. Jedoch wird das Bild, da es als Bildobjekt nach wie vor in sich geschlossen und vollständig ist, zu einem Fragment einer anderen Welt, in die nur ausschnitthaft Einblick gewährt wird.
Die ‚zentralperspektivische‘ Raumkonstruktion ist generalisierbar, sowie nahezu unendlich wiederhol- und variierbar. Jeder Raum lässt sich auf diese Weise darstellen und jede Szene hineinmalen. In diesem Punkt weist die ‚zentralperspektivische‘ Wirklichkeitsnähe über sich hinaus, indem sogar etwas nicht Reales – wurde sie zunächst doch als christliches Sakralbild entwickelt – überzeugend als wirklich da seiend suggeriert werden konnte. Erwin Panofsky betont, dass gewissermaßen in eine Parallelwelt geblickt werden könne, die räumlich ebenso geordnet sei wie die eigene Wirklichkeit.(2) Als eine derartige Erweiterung der realen Welt weist das ‚zentralperspektivische‘ Bild ein Erfindungspotenzial von neuartiger Qualität auf: Zunächst ist der Fluchtpunkt kein fixer Punkt im realen Raum, sondern eine Konstruktion, die sich aus der zweidimensionalen Darstellung ergibt. Die auf ihn zustrebenden Linien ließen sich endlos fortsetzen; „die Entdeckung des Fluchtpunkts als des ‚Bildes unendlich ferner Punkte sämtlicher Tiefenlinien‘, ist gleichsam das konkrete Symbol für die Entdeckung des Unendlichen selbst“(3), wie Panofsky schreibt. Wenn die Orthogonalen einen unendlichen Raum evozieren, werden Bildraum und wirklicher Raum ästhetisch eins. So fallen auch sakrale und weltliche Darstellung in eins zusammen. Indem sich der Bildraum mit dem realen Raum verbindet, fasst der reale Raum in der Bildrahmung plötzlich den sakralen in sich. Bildwirklichkeit und Realität stehen einander gegenüber, je nach Blickrichtung erscheint jeweils das eine als Ausschnitt des anderen.
Es entsteht eine neuartige ästhetische Produktivität: Wenn im unendlichen Raum aus potenziell jeder Richtung eine Perspektive erzeugt werden kann, gibt es so viele Darstellungen, wie es mögliche Ansichtswinkel gibt. Der Blick auf die einzelnen Erscheinungen der Wirklichkeit wird buchstäblich Ansichtssache. Und weist dennoch, aufgrund ihrer messbar ‚richtigen‘ Darstellung, eine unmittelbare Evidenz (4) auf wie kein Bild zuvor.
Aber wessen Ansichtssache? Im ‚zentralperspektivischen‘ Bild ist der Betrachter selbst das Zentrum der Bildkonstruktion, da sich der Fluchtpunkt an ihm ausrichtet. Er wird zum Souverän des Bildes. Denn die dargestellte Perspektive ist die menschliche, nicht die göttliche. Die ‚Zentralperspektive‘ ist für seinen Blick geschaffen. Daher verfügt er über einen eigenen Standpunkt gegenüber dem Dargestellten. Um ihn gruppiert sich alles andere – er ist also hier, wenn auch nicht Teil des Bildes, doch das eigentliche ordnende Element. Aus verschiedenen Ansichtswinkeln und Sichtweisen kann der Betrachter nun auf Gott blicken und sich selbst zu ihm positionieren, was die theologische Glaubwürdigkeit des ‚zentralperspektivischen‘ Sakralbildes seiner Evidenz zum Trotz untergräbt. Statt die eine Perspektive Gottes zu zeigen, zeigt das Bild nun irgendeine beliebige unter unendlich vielen möglichen. Zwar wird der Mensch zum Souverän des Bildes, aber im Zuge dessen zurückverwiesen auf sich selbst. Denn es entwickelt sich eine Diversität des Blicks, die zwar abhängig vom jeweiligen Standpunkt des Betrachters ist, aber von überall her schauen und damit in alle Richtungen potenziell unendlich verlaufen kann. Die ‚zentralperspektivische‘ Darstellung verfügt zwar über den ganzen Raum und ordnet ihn linear nach ihrem Fluchtpunkt, aber der reale Raum selbst bleibt unverfügbar.
Wenn nun der weltliche Raum überall ist, ist kein Ort übrig für das Jenseits. Ein entgrenzter Raum ist fassungslos. Ein Raum, der überall ist, ist nirgendwo. Das Diesseits lässt sich nicht mehr als Negativ zum sakralen Raum begreifen. Einzig der Fluchtpunkt bleibt von der Idee eines Jenseits übrig, der jedochin der Unendlichkeit dennoch keinen wirklichen Ort hat und Utopie bleiben muss.
An die Stelle einer vorgegebenen göttlichen Ordnung treten Ausschnitte einer subjektiven und zugleich mathematischen Ordnung. Gerade durch eine besonders genaue und durchgebildete Darstellung entzieht sich das Dargestellte einer Eindeutigkeit. Die angestrebte Raumeinheit gerät ins Wanken, indem einzelnen Bilddetails so stark ihr eigentliches Aussehen ‚abgezogen‘ wurden, dass sie als im eigentlichen Wortsinn ‚abstrahiert‘ als Fremdkörper hervortreten. Um ein simples Beispiel zu nennen: Manche Bilddetails, wie etwa ein Himmelsfetzen im Fensterausschnitt bei Giovanni Bellinis Verkündigung, werden in ihrer perspektivischen ‚Richtigkeit‘ so stark verkürzt oder angeschnitten dargestellt, dass sie nur noch aus ihrem räumlichen Kontext verständlich sind. Ohne diesen wäre ein solches Bilddetail nicht mehr identifizierbar, dennoch trägt es zum Verständnis des dargestellten Gesamtraumes bei. So formt sich an ihnen ein bildlicher Eigensinn, der sich aus dem Sinnkontext des Bildes löst und nicht aufgeht in der Vorstellung einer Wirklichkeitsnähe, aber stattdessen eine Eigenlogik der eigenen Bildwirklichkeit schafft.
Als der gleichen Raumlogik wie der Wirklichkeit folgend, hält das ‚zentralperspektivische‘ Bild der Wirklichkeit einen Spiegel vor, auch wenn dieser – perspektivisch wie inhaltlich – noch so verzerrt sein mag. Sein Rahmen schränkt das Bild zwar im realen Raum ein und fragmentiert es. Die Ausweitung des realen Raums durch die auf den Fluchtpunkt zulaufenden Orthogonalen verkehrt den Spiegel aber zu einem potenziell endlosen Ausblick, der sich über den eigenen Bildrand hinaus gedacht gerade nicht rahmen lässt. Reflexion und Prospektion fallen in eins. Indem so alles zu einer Sphäre wird, wird es schwierig, zwischen real und imaginär zu unterscheiden.
Der hier gebrauchte Begriff von Wirklichkeit ist jedoch selbst bereits profaniert. Das ist neu im Kontext des christlichen Sakralbildes, denn die dort vertretene Wirklichkeit war zuvor durchaus wörtlich, als Beleg des unmittelbaren Wirken Gottes, zu verstehen – man denke an „die Legende vom ungemalten Bild“ (5), wie etwa das Schweißtuch der Veronika als vera icon oder die Tradition der Augenzeugenschaft des Lukasportraits. Ihre Repräsentationsfunktion, die Existenz der Heiligen zu dokumentieren und zu beweisen, ist ebenfalls wörtlich zu verstehen: Als Medium ‚zurückgeholter‘ Heiliger und Retter ist das christliche Sakralbild zunächst ‚wirklichkeitsnäher‘ als ein bloßes Abbild des Profanen.
Dabei legitimiert sich das christliche Sakralbild gegenüber dem mosaischen Bilderverbot durch die Inkarnation Gottes in Jesus Christus. Die Fleischwerdung Gottes in Christus ist eine Abkehr von der rein geistigen Gotteskonzeption des Alten Testaments hin zu einem sinnlich erfahrbaren Gott. Sinnliche Erfahrbarkeit bedeutet daher auch immer die Erfahrbarkeit der Unerreichbarkeit Gottes. Der Weg zu seiner Abbildbarkeit wird über den Umweg des seine Existenz bezeugenden Dokuments eröffnet und macht dieses somit notwendig. Als der menschgewordene Gott ist Christus zum Inbegriff des Abbildwürdigen geworden und zugleich, da Gott der Inbegriff der Wirklichkeit ist, zum wahren Abbild der Wirklichkeit, wie Hans Belting in seiner Schrift Bild und Kult ausführt:
„Wer Christus bekennt, bekennt auch sein Bild. Das Neue Testament bedeutet, daß Christus leibhaftig erschienen ist. Folglich läßt sich der Terminus ‚Wahrheit‘ auch als Wirklichkeit übersetzen. Das Bild bildet Wirklichkeit, nämlich jene Christi, ab; [...].“ (6) Und: „Die Realität des Bildes verweist auf die Realität der Erlösung durch den Gottmenschen.“ (7) Das ‚zentralperspektivische‘ Sakralbild weist daher nicht bloß eine überzeugendende ästhetische Wirklichkeit auf, sondern auch im theologischen Sinn eine Wahrheit.
Ist die Eigenlogik des christlichen Bildes untrennbar mit seiner Theologie verbunden, so hat sie gerade gegenüber dem ihr zugrundeliegenden Bibeltext einen ästhetischen Eigensinn entwickelt. Die Eindringlichkeit des Sakralbildes belebt und schmückt den Bibeltext aus, beeinflusst jedoch auch dessen Rezeption durch Betonung und Weglassen einzelner Passagen sowie durch die Art und Weise der bildlichen Formulierung. Es gibt nur einen Text, aber viele Sakralbilder, die diesen auf ihre Weise variieren und auslegen.
Reflexion und Prospektion, die zuvor innerhalb des Topos der Heilsgeschichte als theologische Komponenten zu verstehen waren, ästhetisieren sich über die ‚Zentralperspektive‘. Dort lassen sie Gott zwar als wirklich da seiend erscheinen, legen ihn aber genau deswegen auf eine konkrete Erscheinung im profanen Raum fest und minimieren somit seine Omnipräsenz und Unermesslichkeit. Plötzlich sind potenziell unendlich viele unterschiedliche Darstellungen des Sakralen möglich, doch genau dieses Potenzial schwächt die Wirkung des einen wahren Bildes und damit der einen exklusiven Wahrheit ab. In dem Verständnis von Wirklichkeitsnähe als Wahrheitsnähe wird deutlich, dass das ‚zentralperspektivische‘ Bild seinem Anspruch als Sakralbild nicht gerecht werden kann.
Das hat eine Bedeutungsverschiebung der Verquickung von Wirklichkeit und Wahrheit, wie sie Hans Belting formulierte, zur Folge: Bewies das christliche Wunderbild in seiner Wirkung und Wirklichkeit die Wahrheit Christus, wird diese nun gewissermaßen profaniert, indem unter Wahrheit der Wirklichkeit nun nichts weiter gemeint ist als das, was augenscheinlich da ist. Die Wirklichkeit des Bildes tritt an die Stelle der Wirklichkeit Gottes.
Das Bild löst sich zunehmend aus seiner Bindung an die christliche Ikonografie. Ohne inhaltliche Rückbindung fällt die Fläche jedoch auf sich selbst zurück und wird damit ‚geöffnet‘. Durch dieses Ablösen des Bildes von seinem sakralen Grund durch die ‚Zentralperspektive‘ entsteht eine Leerstelle des Sakralen. Das Bild wird zur Kunst, weil es seinem festen Bezug entbunden ist, und zugleich bleibt dieser Bezug als Leerstelle vorhanden und wird als diese konstitutiv für Kunst. (8) Kunst ist per se fassungslos und versucht ihre fehlende sakrale Rückbindung durch ihren ästhetischen Eigensinn zu ersetzen. Als Fassungs- und Linearisierungsversuch konnte die ‚Kunstgeschichte‘ entstehen. Das Phantom der sakralen Vergangenheit bleibt jedoch als unbeglichene Hypothek erhalten. Kunst bildet sich immer wieder neu in dem Versuch, die Leerstelle des Sakralen zu füllen und ist in dieser Hinsicht ein restaurativer Reflex. Dabei muss sie scheitern, weil durch ihren nun von der Bibel emanzipierten ästhetischen Eigensinn die sakrale Bindung nicht wiedergeschaffen werden kann. Gelänge es ihr, wäre sie keine Kunst mehr, sondern fiele zurück ins Sakralbild. Aber ihr Scheitern macht sie erst produktiv. Die Leerstelle des Sakralen ist eine über das Sakralbild hinaus währende, weiterhin bestehende Bezugsnotwenigkeit, obwohl und weil der konkrete Bezug zugleich nicht zu fassen und der Bezugsrahmen weggebrochen ist. Entsteht der ästhetische Eigensinn des Sakralbildes noch in Bezug auf das jeweils dargestellte Thema, ist der ästhetische Eigensinn der Kunst hingegen selbstbezogen, verharrt aber nicht redundant bei sich, sondern wird zu Reflexion und Prospektion in Bezug zum Betrachter.
Durch das sich aus dem Sakralkontext lösende Bild wird zudem das Verhältnis von Bild und Text verkehrt, war doch zuvor das Malen eines Sakralbildes immer auch ein Stück gemalte Exegese. Nun führt nicht mehr das Bild aus dem Text, sondern der Text als bildbegleitende und aus der Distanz diagnostizierende Theorie erklärend ins Bild. Anstelle der Mysterien Gottes wird nun das ‚Mysterium‘ des ästhetischen Eigensinns versucht zu begreifen.
In einem ‚zentralperspektivischen‘ Zusammenhang dargestellte Dinge ‚emanzipieren‘ sich aus ihrer sakralen Codierung. Im entgrenzten Raum gibt es keine Bezüge und Relationen zwischen den Dingen, sie sind ungebunden. Die perfekte Ordnung, wie es die ‚zentralperspektivische‘ Darstellung zunächst suggerieren mag, entpuppt sich als Illusion des eigenen Illusionspotenzials.
Wenn alles gleich wichtig ist, wird das Sakrale banalisiert bzw. säkularisiert. Plötzlich ist alles bildwürdig. Tradierte Darstellungsformen lösen sich auf und das zuvor enge Bibel-Bild-Verhältnis lockert sich. Der Abbildcharakter der Bilder wird betont und die Darstellungen individualisiert, während eine eindeutige Lesbarkeit der Bilder aufgrund ihres schwindenden Bezugsystems verloren geht. Fortan sind Bilder zunehmend weder eine Verbildlichung und Interpretation des Bibeltextes noch die direkte Repräsentation des Heiligen, sondern einfach Bilder – ohne sakralen Gehalt. Alles kann Bild werden. Als Objekt wird es mit dem Verlassen des Sakralraums ein Ding in der Welt der Dinge, aber als Darstellungsfläche gewinnt es an Autonomie; alles kann auf ihm dargestellt werden. Zugleich verliert das Bild seine enge Einbindung in einen Bedeutungskontext, wie es der Kirchenraum war. Diese Kontextlosigkeit macht das Bild erklärungsbedürftiger als zuvor. Statt Bild zu einem (dem) Text zu sein, gibt es nun, wie etwa durch Vasari deutlich wird, Texte zu den Bildern – gewissermaßen Texte zur Kunst. Ihr ästhetischer Eigensinn wird in der Kunst zu einem ungerichteten ästhetischen Überschuss – zu einer epistemischen Unbändigkeit in der Doppelbedeutung von frei und wild einerseits sowie an nichts mehr gebunden oder auch ‚rückbindungslos‘ andererseits. Wird in der Kunst die absolute Gottesperspektive zur individuellen Menschenperspektive, so passiert dies nur vor dem Hintergrund der einstigen Inkarnation Gottes in Christus. Die Inkarnation Gottes in den Menschen bildet die Voraussetzung dafür, dass gerade weil Kunst das Medium des christlichen Gottes war, doch zu mehr wird, als ein Ding unter Dingen. Dieses Unerklärliche der Kunst erinnert gewissermaßen das Mysterium der Inkarnation. Kunst wird weiterhin in einer eigenen Sphäre gedacht, die zwar profan, aber doch unterschieden von der restlichen Profanität ist. In diesem Sinn ist Kunst in der Lage, eine Fassung des Realen zu sein, aber immer nur aus einer ‚Position‘ heraus und nicht mehr als Weltfassung, wie es das christliche Sakralbild als Anspruch hatte. Und auch nur so, eben von einer ‚Position‘ aus, kann Kunst erfasst werden, ohne sie jedoch jemals gänzlich zu fassen zu kriegen.
(1) Vasari 1974 (1550), S. 134.
(2) Panofsky 1984, S. 99.
(3) Panofsky 1984, S. 117.
(4) Das christliche Sakralbild hatte zuvor ein anderes Evidenzverständnis, beruhend auf der jeweiligen Entstehungslegende. Natürlich ist aus heutiger Sicht eine Entstehungslegende alles andere als evident, jedoch galt schon etwa die ‚Vera Icon‘ als eine Art historisches Dokument und hob sich damit von den Wunderlegenden ab (vgl. Belting 1990, S. 234).
(5) Ebd., S. 66.
(6) Ebd., S. 176.
(7) Ebd., S. 180.
(8) Die Argumentation baut auf Hans Beltings Überlegungen auf, die er in seiner Schrift Bild und Kult ausführt: Dort versucht er den Prozess nachzuzeichnen, wie das Kultbild sich entwickelt und aus seiner Existenz als Kultbild herausentwickelt hat. Beltings Kunstbegriff ist dabei jedoch nicht ganz klar konturiert. Er verwendet ihn im Kontext des Sakralbildes als auch im Kontext des Bildes als Kunst.
Literatur
Hans Belting, Bild und Kult, München 1990.
Erwin Panofsky, Die Perspektive als „symbolische Form“, in: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, hg. von Hariolf Oberer und Egon Verheyen, Berlin 1980.
Giorgio Vasari, Künstler der Renaissance. Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler Bildhauer und Architekten der Renaissance (1550), hg. von Fritz Schillmann, Berlin 1948.